Perspektive

Ist es richtig, dass es für schlechtes Benehmen im Bundestag härtere Strafen geben soll?
Die Volksvertretung braucht keine Aufseherin
Die Perspektive in 30 Sekunden
Reinhard Müller zweifelt daran, dass die Erhöhung der Ordnungsgelder den Bundestag gegen etwaige Verfassungsfeinde absichern könne. Vielmehr mahnt der Politikredakteur der überregionalen Tageszeitung FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ): Man solle nicht vergessen, welche Kompetenzen dem Amt der Bundestagspräsidentin eigentlich zustehen – und welche nicht.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) überschreite mit den verhärteten Regeln ihre Kompetenzen, findet Müller, und erinnert: „Sie vertritt das Parlament nach außen, ist aber nicht dessen Vorstandsvorsitzende noch Zuchtmeisterin; sie hat den Parlamentariern inhaltlich auch nichts zu sagen.“ Nach der Geschäftsordnung solle Klöckner Ordnung zum Zwecke der Abläufe im Parlament schaffen – nicht aber dem freien Ausdruck den Raum wegnehmen.
Zwar müssen dauerhafte Störungen und Beleidigungen der AfD-Abgeordneten unterbunden werden, findet Müller. Dabei gehe man mitunter aber auch zu hart vor: „Der Vorwurf etwa, es gebe ein Kartell der anderen Parteien, ist zwar polemisch und einer Antwort wert – aber keiner Rüge der Bundestagspräsidentin.“ Denn Streit müsse man führen und aushalten können, findet Müller.
Anmerkung der Redaktion
Reinhard Müller ist Jurist, Journalist und seit 1998 Redakteur bei der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG (FAZ), wo er zu rechtspolitischen Themen und Innenpolitik schreibt. Seit 2012 ist Müller zudem verantwortlicher Redakteur für die Rubrik „Zeitgeschehen“. Zusätzlich veröffentlicht er seit 2017 das Digital-Format „FAZ Einspruch“, das Rechtsthemen behandelt. In verschiedenen Beiträgen wendet sich Müller gegen die Eheöffnung und ein gemeinschaftliches Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Außerdem hält er die Einräumung der doppelten Staatsangehörigkeit für eine „Politik, der jedes Gefühl für Staat und Nation, für Sinn und Form völlig abgeht“. Müller hat in Münster Rechtswissenschaften und Geschichte im Grundstudium studiert. Nach seinem juristischen Staatsexamen hat er im Bereich Jura über den Zwei-Plus-Vier-Vertrag und das Selbstbestimmungsrecht der Völker promoviert. Nach seinem zweiten Staatsexamen 1998 kam er zur FAZ und begann seine journalistische Karriere. Nach dem Entschluss des Verwaltungsgerichts Berlin am Anfang Juni 2025, das die vom Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) angewiesenen Zurückweisungen an der deutschen Grenze rechtswidrig waren, kommentierte Müller, dass die Bundesregierung weiterhin Ernst machen sollte mit dem „übergeordnete Ziel […], dass Flüchtlinge ihren Antrag nicht erst in Deutschland stellen“. Der ehemaliger Richter und Bürgerrechtler Ulf Buermeyer sagte in seinem Podcast LAGE DER NATION, dass Müller mit seinem Kommentar den „Boden der Rechtsstaatlichkeit“ verlasse.
Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG (FAZ) ist eine deutsche überregionale Tageszeitung. Sie ist 1949 gegründet worden und wird zu den deutschen Leitmedien gezählt. Dies sind Medien, die einen besonderen Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben. Laut Eigenangabe steht die FAZ „für den Erhalt und die Stärkung der demokratischen Ordnung und der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland“. Die Zeitung gilt als liberal-konservatives Blatt. THE EUROPEAN schreibt über die „drei Gesichter“ der FAZ: Sie habe einen eher konservativen, staatstragenden Politikteil, ein linksliberales Feuilleton und einen liberalen Wirtschaftsteil. Die verkaufte Auflage der Zeitung lag im zweiten Quartal 2025 bei rund 334.000 Exemplaren (IVW) und hat im Vergleich zum vorigen Quartal leicht abgenommen. Die Printauflage der Zeitung ist allerdings seit Jahren rückläufig. Laut der Plattform Similarweb, die Statistiken zum Nutzerverhalten bereitstellt, hatte der Webauftritt der FAZ – FAZ.NET – im Oktober 2024 rund 34,4 Millionen Besucher:innen zu verzeichnen.

