Perspektive

Braucht Deutschland wieder eine Wehrpflicht?
Skandinavien, Baltikum, Österreich: Wie gehen andere Länder mit der Wehrpflicht um?
Die Perspektive in 30 Sekunden
Für die DEUTSCHE WELLE hat sich Redakteurin Stephanie Höppner umgesehen, wie andere Länder in Europa mit der Wehrpflicht umgehen. Dabei nimmt sie zuallererst Schweden in den Blick, das immer als mögliches Vorbild für Deutschland angeführt werde.
Wie Höppner erläutert, müssen sich dort alle 18-Jährigen zur Musterung melden und einen entsprechenden Online-Fragebogen ausfüllen. Ein Teil von ihnen wird dann zur medizinischen Beurteilung eingeladen. Nur etwa fünf bis zehn Prozent eines Jahrgangs – Männer und Frauen – tritt den Dienst schließlich an. „Rekrutiert werden nur junge Leute, die auch zum Wehrdienst bereit sind“, so Höppner. Somit gebe es zwar eine Musterungspflicht, der Dienst selbst sei aber de facto freiwillig.
Auch in Dänemark gibt es laut Höppner eine Wehrpflicht ab 18 Jahren, allerdings bislang nur für Männer. Frauen sollen demnach ab 2026 rekrutiert werden. Außerdem soll der Grundwehrdienst von vier auf elf Monate verlängert werden.
In Norwegen wiederum müssen laut Höppner seit 2016 neben Männern auch Frauen zur Musterung melden, wo ihre Eignung für die Armee medizinisch beurteilt wird. Auch hier wird nur ein Bruchteil tatsächlich eingezogen. „Wegen der strengen Auswahl gilt der Dienst als ähnlich prestigeträchtig wie andere höhere Bildungsabschlüsse“, informiert die DW-Redakteurin.
Lettland hat seine Wehrpflicht nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wieder eingeführt – „seit vergangenem Jahr auf freiwilliger Basis; ab diesem Jahr sollen alle 18- bis 27-jährigen Männer eingezogen werden“. Der Dienst ist auf elf Monate angesetzt. Frauen können sich freiwillig für die Ausbildung entscheiden. Ab 2028 sollen laut Höppner jedes Jahr 7.500 Männer einberufen werden.
Bereits seit 2015 ist die Wehrpflicht auch in Litauen wieder eingeführt – eine direkte Reaktion auf die russische Annexion der Krim, wie Höppner ausführt. Das gelte auch für die Ukraine selbst. Dort wurde die Wehrpflicht schon 2014 wieder eingeführt. Sie gelte für alle Männer zwischen 18 und 26 Jahren. Zudem hat die ukrainische Regierung nach dem russischen Großangriff im Februar 2022 ein Gesetz erlassen, wonach alle Männer zwischen 18 und 60 Jahren eingezogen werden können.
Deutschlands Nachbarland Österreich wiederum hat trotz vieler Diskussionen seine Wehrpflicht nie aufgegeben. Männer zwischen 18 und 35 Jahren werden demnach zu einem lediglich sechsmonatigen Grundwehrdienst im Bundesheer eingezogen – sofern zuvor eine entsprechende Eignung festgestellt wurde. „Wer aus Gewissensgründen nicht in die Armee möchte, kann auch einen neunmonatigen Zivildienst ableisten“, informiert Höppner. Frauen wiederum können freiwillig ins Heer.
Anmerkung der Redaktion
Stephanie Höppner ist Journalistin und arbeitet als freie Redakteurin unter anderem für die DEUTSCHE WELLE in der Rubrik „Politik und Gesellschaft“, das DOMRADIO und den EVANGELISCHEN PRESSEDIENST. Dort war sie früher auch zwei Jahre als Korrespondentin in Leipzig tätig.
Die DEUTSCHE WELLE (DW) ist der Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland. Er wird aus Bundesmitteln finanziert und ist Mitglied der ARD. Die DEUTSCHE WELLE produziert Online-, Fernseh- und Radiobeiträge und sendet in rund 30 Sprachen. Damit ist sie einer der Träger der auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Die Inhalte der Programme haben einen Schwerpunkt auf Nachrichten, Dokumentationen und Kulturberichterstattung. Die DEUTSCHE WELLE sorgte im Frühjahr 2020 für Schlagzeilen, nachdem die TAGESZEITUNG (TAZ) einige Schilderungen von Mitarbeiter:innen veröffentlicht hatte. Sie berichteten von einem schlechten Arbeitsklima, von Rassismus, Mobbing und systematischer Unterdrückung von Kritik. Nach eigenen Angaben erreichte die DW 2023 wöchentlich mit ihren Angeboten rund 320 Millionen User Contacts.

