Perspektive

Kriminalstatistik 2019: Zahl politisch motivierter Straftaten nimmt um 14 Prozent zu
Gibt es einen "Relativierungs-Reflex“ gegenüber linken Straftaten?
Die Perspektive in 30 Sekunden
In einem Pro-Contra-Text streiten die beiden ZEIT-Autoren Martin Machowecz und Daniel Müller über die Frage, ob wir mit Linksradikalen nachsichtiger umgehen als mit Rechtsradikalen. Machowecz meint: Ja! In Bezug auf linksextremistische Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz, bei der ein Polizist zu Silvester verletzt worden war, spricht er von einem „einen Relativierungs-Reflex“ in der deutschen Öffentlichkeit. „Gibt es linksmotivierte Ausschreitungen oder Gewalttaten, wird – vonseiten linker Politiker, aber auch mancher Journalisten – entweder geschwiegen. Oder rasch nach entlastenden Argumenten gesucht“, schreibt Machowecz. Bei Rechtsextremismus sei das hingegen zu Recht unvorstellbar.
Zwar sieht er den Rechtsextremismus als „das wahre Problem dieses Landes“. Linksextremismus sei dennoch kein Gegengift. „Vor allem werden die Gewalttäter aus diesem Spektrum immer brutaler“, betont Machowecz.
Sein Kollege Daniel Müller widerspricht: Der Rechtsstaat bestrafe linksradikale Täter besonders streng, schreibt er. Zu Zeiten der RAF sei der Rechtsstaat an seine Grenzen und darüber hinaus gegangen, betont Müller. „Es wurden die Rechte von Verteidigern beschnitten, härtere Gesetze erlassen, Menschen eingesperrt, die nur Sympathie für die RAF bekundet hatten“, schreibt Müller.
Der Rechtsstaat habe allerdings bisher nicht bewiesen, dass er mit ebenso harter Hand gegen rechte Gewalttäter vorgeht. Zur These des „Relativierungs-Reflexes“, den sein Kollege sieht, meint Müller: Linke Parteien heben eben eher rechtsextremistische Straftaten hervor und Parteien wie die AfD besonders linksextremistische. Politische Kräfte auf beiden Seiten ignorierten Gewalt im jeweils eigenen Lager. Müller kritisiert das, aber es verwundert ihn nicht. Denn: „Von einem Rind kann man nur Rindfleisch erwarten.“
Anmerkung der Redaktion
Martin Machowecz ist ein deutscher Journalist und stellvertretender Chefredakteur der ZEIT. Zuvor hatte er unterschiedliche Postionen inne, wie die Leitung des Streit-Ressorts und die Leitung des Leipziger Korrespondentenbüros und der Ausgabe ZEIT im Osten. Machowecz hat Politik studiert und die Ausbildung an der deutschen Journalistenschule in München absolviert.
DIE ZEIT ist die größte deutsche Wochenzeitung und hat ihren Sitz in Hamburg. DIE ZEIT erscheint seit 1946 und wurde von ihren ersten beiden Chefredakteuren Ernst Samhaber und Richard Küngel zunächst als rechtskonservatives Blatt ausgelegt. Erst in den 1960er Jahren wurde die Wochenzeitung durch Marion Gräfin Dönhoff und den langjährigen Chefredakteur Theo Sommer als liberales Medium ausgerichtet. Dönhoff prägte DIE ZEIT bis 2002 und hat sie von 1968 bis 1972 herausgegeben, ab 1983 gemeinsam mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). In gesellschaftspolitischen Fragen gilt DIE ZEIT als grundsätzlich (links-)liberal, hat allerdings auch viele Gastbeiträge aus dem gesamten Meinungsspektrum oder stellt Beiträge mit gegensätzlichen Meinungen gegenüber. Der NDR urteilt, DIE ZEIT gelte als „Blatt der Akademiker und Intellektuellen“ – und sei damit durchaus erfolgreich. Tatsächlich gehört DIE ZEIT zu den wenigen deutschsprachigen Printmedien, die seit der Digitalisierung an Auflage gewonnen haben. Zuletzt lag die verkaufte Auflage bei rund 633.000 Exemplaren (IVW Q2/2025).


