Perspektive

Bürgergeld, Rente & Co.: Muss für den „Herbst der Reformen“ der Sozialstaat beschnitten werden?
Die eigentliche Gefahr für den Sozialstaat liegt in der Bürokratie
Die Perspektive in 30 Sekunden
Katja Robinson hat bis zum März 20215 sechs Jahre lang das Kölner Sozialamt geleitet. Im Interview mit Redakteurin Anne-Sophie Lang für die Wochenzeitung DIE ZEIT äußert sie sich zu den Diskussionen um den deutschen Sozialstaat. Laut der Fachfrau bekommt die Diskussion um mögliche Sozialkürzungen zu viel Aufmerksamkeit.
Die eigentliche Gefahr für den Sozialstaat sieht Robinson in der aufwendigen und komplexen Verwaltung. Eine durchschnittliche Sozialhilfeempfängerin muss demnach 18 verschiedene Behörden persönlich aufsuchen, um ihre sozialrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Alle diese Stellen müssen ihren Fall dann prüfen. „Das ist ein Aufwand, den wir uns in Zukunft nicht mehr leisten können“, stellt Robinson klar.
Die Angestellten bei den Ämtern haben laut Robinson eine sehr hohe Bereitschaft für Veränderungen. Deswegen erwartet sie auch von der Politik entsprechende Verwaltungsreformen. Dabei macht sie sich keine Illusionen darüber, dass das fünf bis zehn dauern kann. Aber dann hat die durchschnittliche Sozialhilfeempfängerin womöglich nur noch einen Ansprechpartner – und nicht mehr 18.
Anmerkung der Redaktion
Katja Robinson ist promovierte Juristin. Sie war ursprünglich als Anwältin in einer Kanzlei tätig, arbeitete später in der Sozialwirtschaft und leitete bis März 2025 für sechs Jahre das Kölner Sozialamt. Seit April 2025 ist sie an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin als Professorin für rechtliche Grundlagen sozialer Professionen berufen und arbeitet weiter als Anwältin.
Anne-Sophie Lang ist Redakteurin im Ressort Politik und Wirtschaft bei der Wochenzeitung DIE ZEIT. Sie hat die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft absolviert und Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaft sowie Wirtschafts- und Sozialpsychologie in Köln und Madrid studiert. Erste journalistische Schritte unternahm sie bei der FRANKFURTER RUNDSCHAU, später arbeitete sie als freie Journalistin für verschiedene Medien, darunter ZEIT ONLINE. Neben ihrer journalistischen Arbeit war sie mehrere Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Köln, Faktencheckerin und Recherchestipendiatin des Leibniz-R-Netzwerks.
DIE ZEIT ist die größte deutsche Wochenzeitung und hat ihren Sitz in Hamburg. DIE ZEIT erscheint seit 1946 und wurde von ihren ersten beiden Chefredakteuren Ernst Samhaber und Richard Küngel zunächst als rechtskonservatives Blatt ausgelegt. Erst in den 1960er Jahren wurde die Wochenzeitung durch Marion Gräfin Dönhoff und den langjährigen Chefredakteur Theo Sommer als liberales Medium ausgerichtet. Dönhoff prägte DIE ZEIT bis 2002 und hat sie von 1968 bis 1972 herausgegeben, ab 1983 gemeinsam mit Altkanzler Helmut Schmidt (SPD). In gesellschaftspolitischen Fragen gilt DIE ZEIT als grundsätzlich (links-)liberal, hat allerdings auch viele Gastbeiträge aus dem gesamten Meinungsspektrum oder stellt Beiträge mit gegensätzlichen Meinungen gegenüber. Der NDR urteilt, DIE ZEIT gelte als „Blatt der Akademiker und Intellektuellen“ – und sei damit durchaus erfolgreich. Tatsächlich gehört DIE ZEIT zu den wenigen deutschsprachigen Printmedien, die seit der Digitalisierung an Auflage gewonnen haben. Zuletzt lag die verkaufte Auflage bei rund 633.000 Exemplaren (IVW Q2/2025).


