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Perspektive

zur Debatte vom 09. März 2025
Ist es an der Zeit für eine europäische Verteidigungsunion?
Hintergrund

Wie es um Europas Militär steht

Die Perspektive in 30 Sekunden

Nicht nur Deutschland, sondern viele EU-Staaten haben ihre Streitkräfte über Jahrzehnte unterfinanziert. Die EU-Staaten planen nun massive Rüstungsausgaben – auch, um unabhängiger von den USA zu werden. Für das ZDF hat Redakteur Nils Metzger einen Überblick darüber zusammengestellt, wo Europa zurzeit militärisch steht und wo es Lücken gibt. Dabei hat er unter anderem Studien und die Expertise der Sicherheitsexpertin Ronja Kempin miteinbezogen.

Laut dem Thinktank „The International Institute for Strategic Studies“ (IISS) gaben die europäischen Staaten 2024 457 Milliarden Dollar für Verteidigung aus – immerhin beinahe die Hälfte der US-Ausgaben in Höhe von 968 Milliarden Dollar. Trotzdem gebe es ganze Fähigkeitsbereiche, bei denen sich die Europäer bislang weitgehend auf die USA verlassen. Dazu zählt ZDF-Redakteur Metzger strategischen Lufttransport, um Soldaten und Gerät schnell und weltweit verlegen zu können; Aufklärung, insbesondere Satelliten-basiert; weitreichende Raketen, um Ziele innerhalb Russlands treffen zu können; sowie Luftverteidigung, insbesondere gegen Marschflugkörper oder Drohnen.

In manchen Bereichen haben die Europäer laut Metzger zwar bereits Programme gestartet, um eigene Fähigkeiten aufzubauen. Dazu zählt der ZDF-Redakteur etwa die „European Sky Shield Initiative“ zur Raketenabwehr oder das „Elsa“-Programm, das weitreichende Waffensysteme entwickeln soll. „Bis es einsatzbereite Ergebnisse gibt, werden noch einige Jahre vergehen“, merkt der ZDF-Redakteur jedoch an. Die viel diskutierte Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland ab 2026 soll eine der Lücken zwar temporär stopfen, doch US-Präsident Donald Trump könnte dieses Angebot leicht wieder zurücknehmen, so Metzger.

Die Auftragsbücher der Rüstungshersteller sind laut dem ZDF-Redakteur zwar über Jahre gefüllt. Jedoch sei der europäische Rüstungsmarkt alles andere als effizient und war jahrzehntelang kein großer Gewinnbringer. Vereinfacht gesagt laufe es darauf hinaus, dass sehr viele kleine Unternehmen zu viele verschiedene, teure Produkte in geringen Stückzahlen produzieren. Gleichzeitig waren Erfolgsgeschichten europäischer Kooperation wie die Gründung von EADS/Airbus oder die Entwicklung der Militärflugzeuge Eurofighter oder A400M von Verteilungskämpfen und Rückschlägen geprägt, so Metzger.

Die Zusammenarbeit der europäischen Streitkräfte stockt außerdem seit Jahren, wie Metzger informiert. Allerdings gibt es Strukturen, auf die man aufbauen könnte. Dazu zählt der ZDF-Redakteur „etwa die EU-Battlegroups oder die 5.000 Soldaten umfassende Schnelle Eingreiftruppe RDC, die in diesem Jahr erstmals voll einsatzbereit sein soll“. Noch gebe es aber praktische Hürden, weshalb etwa die seit 2004 bestehenden EU-Battlegroups noch nie tatsächlich zum Einsatz gekommen sind. Unter anderem mangelt es an einem gemeinsamen Hauptquartier, auch weil die EU-Mitgliedsstaaten zu wenig Personal dafür abstellen, so Metzger.

Anmerkung der Redaktion

Nils Metzger ist ein deutscher Redakteur und Journalist. Momentan arbeitet er als Editor und Redakteur beim ZDF. Seine Schwerpunkte sind Investigativjournalismus, Extremismus und Sicherheitspolitik. Er arbeitet sowohl bei den Formaten ZDF HEUTE als auch bei ZDF FRONTAL. Im Rahmen seiner Tätigkeit bei ZDF HEUTE ist er auch für Faktenchecks zuständig. Zuvor studierte Islamwissenschaften und Politik an der Freien Universität Berlin und berichtete in Medien wie CNN, NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, ZEIT ONLINE, der TAZ, THE EUROPEAN oder der JÜDISCHEN ALLGEMEINE über die arabische Welt. Nebenbei war Metzger auch auf seinem Twitter-Account aktiv und kommentierte dort aktuelle politische Ereignissen, insbesondere mit Bezug zu politischem Extremismus und Außenpolitik. Die Inhalte des X-Account (ehemals Twitter) sind momentan jedoch alle entfernt worden (Stand: 10.09.2025).

Dr. Ronja Kempin ist Politologin und beschäftigt sich hauptsächlich mit Europa sowie mit Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Seit 2003 arbeitet sie für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) am Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit. Zuvor war Kempin Lehrbeauftragte an der Freien Universität Berlin und an der Bucerius Law School in Hamburg. Von 1999 bis 2000 hat sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Bundestag gearbeitet sowie im SPD-Parteivorstand. Von 2010 bis 2014 war Kempin Leiterin der Forschungsgruppe EU-Außenbeziehungen bei der SWP.

ZDF.DE ist die Onlinepräsenz des öffentlich-rechtlichen ZWEITEN DEUTSCHEN FERNSEHENS (ZDF). Das ZDF ist eine der größten Sendeanstalten in Europa und hat seinen Sitz in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz. Als Teil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks finanziert sich der Sender vor allem über den Rundfunkbeitrag und ist per Programmauftrag dazu verpflichtet, objektiv und ausgewogen zu berichten. Der Einfluss der ZDF-Aufsichtsgremien (Fernsehrat, Verwaltungsrat), die hochrangig politisch besetzt sind, gilt als stark. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2014 darf im Verwaltungsrat maximal ein Drittel der Mitglieder „staatsnah“ besetzt sein, derzeit sind das unter anderem die ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Dreyer ist die Vorsitzende des Verwaltungsrats. Laut dem Institut für Medien- und Kommunikationspolitik orientiert sich der Sender medienpolitisch an der britischen BBC und setzt verstärkt auf eine Präsenz im Internet. Die dauerhafte Herausforderung des ZDFs ist seit Jahren dennoch die Bindung jüngerer Publikumsschichten.

Originalartikel
Was Europa jetzt für sein Militär tun muss
ZDFNils MetzgerRonja Kempin
03.03.2025 · 4 Minuten · Deutsch
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