Perspektive

Sollte die Brandmauer zur AfD weiter bestehen?
Wo in Europa die Brandmauern zu rechten Parteien stehen – und wo nicht
Die Perspektive in 30 Sekunden
Die Landtagswahlen in Ostdeutschland passen ins europäische Bild. Denn insgesamt ist in vielen europäischen Staaten ein Trend zu rechtsextremen Parteien zu beobachten, hauptsächlich ausgelöst durch Migrationspolitik, wirtschaftliche Verwerfungen und ein allgemeines Gefühl des Abgekoppeltseins, wie Bernd Riegert erläutert. Für die DEUTSCHE WELLE hat der Brüssel-Korrespondent einen Überblick zusammengestellt, wo es Brandmauern zu rechten Kräften gibt – und wo nicht.
In Italien beispielsweise hat die einstige Regionalpartei Lega schon mehrfach auf zentralstaatlicher Ebene mitregiert, wie Riegert ausführt. Gleichzeitig sei sie in den nördlichen italienischen Regionen stark und stellt in Venetien, Lombardei, Friaul und Umbrien den Präsidenten. „Eine Brandmauer, also einen Ausschluss von Koalitionen mit den Christdemokraten, hat es dort nie gegeben“, so der DW-Korrespondent. Wie Riegert weiter ausführt, haben seit 2022 die rechtsextremen Brüder Italiens (Fratelli d’Italia) die Lega überflügelt. Sie wurden bei nationalen Wahlen stärkste Kraft noch vor der Lega. Seither führt Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine rechte Koalition aus Fratelli, Lega und Christdemokraten an.
Eine Brandmauer gebe es auch in Österreich nicht, wie Riegert ausführt. Dort sei die rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) inzwischen in neun Länderparlamenten etabliert und an drei Regierungen in Bundesländern beteiligt. Trotz vieler Skandale lag die FPÖ laut Riegert bei Umfragen für die Wahl des nationalen Parlaments Ende September mit 27-31 Prozent an erster Stelle. FPÖ-Chef Herbert Kickl rechnet sich daher gute Chancen aus, der „Volkskanzler“ Österreichs zu werden. Die AfD und die FPÖ pflegen einen engen Austausch, so Riegert. Kickl könnte somit ein Vorbild für den thüringischen AfD-Chef Björn Höcke sein.
In Frankreich halte die Brandmauer hingegen noch. Der französische Präsident Emmanuel Macron will weder mit dem rechtsextremem Rassemblement National noch mit den linksextremen Unbeugsamen Franzosen zusammenarbeiten. „Deshalb kommt im Parlament nach den vorgezogenen Wahlen vom Juli keine Mehrheit zustande, weil Macron keinen Koalitionspartner findet“, erläutert Riegert. „Das erinnert ein wenig an die Lage in den Landtagen in Erfurt und Dresden.“
In Spanien wächst laut Riegert die rechtsextreme Partei Vox seit Jahren stetig an und liegt landesweit auf Platz drei. „Im Juli kam es aber zum Zerwürfnis mit den Christdemokraten, mit denen sie in über 100 Kommunen und in fünf Regionen regierte“, berichtet er. Von einer Brandmauer sei aber nie die Rede gewesen.
„In den Niederlanden, Schweden, Finnland und anderen EU-Staaten sind Rechtsextreme ebenfalls in Regierungen vertreten“, so der DW-Korrespondent. In Ungarn stellt die rechtsnationale Fidesz-Partei seit 14 Jahren mit Viktor Orbán ununterbrochen den Ministerpräsidenten. Damit ist Ungarn laut Riegert der europäische Staat mit der stabilsten rechtspopulistischen Regierung. In Polen ist diese Phase vorbei. Dort haben die Christdemokraten die rechtsextreme PiS-Partei nach Wahlen im vergangenen Jahr abgelöst.
Anmerkung der Redaktion
Bernd Riegert ist der Auslandskorrespondent der DEUTSCHEN WELLE (DW) in Europa und den USA. Außerdem leitet er für den Sender stellvertretend die Europa-Redaktion und ist Korrespondent in Brüssel. Sein Schwerpunkt liegt in den Bereichen Migration, Sicherheits- und Finanzpolitik. Darüber hinaus war er bis 2021 für das Nachrichtenportal EURACTIV tätig, das sich mit der Europäischen Union auseinandersetzt. Für die DW arbeitet Riegert seit seinem Volontariat im Jahr 1988.
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